Got lost ? Klick here to enter the mainpage - Verlorengegangen? Klicke hier um zur Hauptseite zu kommen
___

RORIDULA & PAMERIDEA

die Taupflanze und ihre Wanzen

 

 

Am südwestlichen Zipfel Afrikas liegt das Kapland. Obwohl die dortige Vegetation nur eine verhältnismäßig kleine Fläche einnimmt ist die Artenvielfalt und Eigenständigkeit so groß, dass Botaniker diesem Gebiet eines der sechs Florenreiche der Erde zugeordnet haben, die Capensis.

Dort ist die Gattung Erica mit 657 Arten (637 davon endemisch) vertreten, weiterhin kommen 272 Arten der Gattung Asphalatus (258 Endemiten), sowie die Gattungen Pelargonium, Eurypos, Felicia, Protea und Disa vor. Endemische Familien sind die Penaeceae (7 Gattungen mit 23 Arten), Grubbiaceae (1/3), Roridulaceae (1/2), Geissolomataceae (15/43) und Stilbaceae (5/14).  

Die Vegetation variiert von Bergkette zu Bergkette und wird meist von Proteaceen und Ericaceen dominiert. Restionaceen besetzen überwiegend die ökologische Nische der Gräser. Die ca. 1-3m hohen Hartlaubgebüsche, Fynbos oder Kap-Macchie genannt, stellen im Gegensatz zur mediterranen Vegetation das Endstadium der  Sukzession dar. Bäume kommen nur vereinzelt vor.

Das Klima ist geprägt von heißen, ariden Sommern und kühleren und niederschlagsreichen Wintern. Allerdings kommt es auch während der Sommermonate zu Taubildung, welche für viele Arten eine Ergänzung zur ansonsten kärglichen Wasserversorgung darstellt.

Typisch für die Fynbos Vegetation sind Buschbrände, welche alle 20-30 Jahre die Vegetation oberflächlich vernichten. Diese Feuer brennen rasch und nicht sonderlich intensiv, da die spärliche  Biomasse die Flammen nur kurzzeitig nähren kann. Die Pflanzen der Capensis haben sich im Laufe der Evolution an diese regelmäßigen Brände angepasst und treiben aus unterirdischen Pflanzenteilen oder Samen erneut aus, die aufgrund des „kühlen“ Feuers unbeschädigt geblieben sind. Sobald im Herbst die ersten stärkeren Niederschläge auf den durch die Asche mit Mineralstoffen angereicherten Boden fallen und die Sonne ungehindert den Boden erreicht, überzieht sich die verbrannte Erde mit einem Blütenmeer.

Insbesondere durch die Aktivitäten der Farmer hat die Frequenz dieser Brände mittlerweile stark zugenommen und teilweise beträgt die Zeit zwischen zwei Feuern nur noch rund fünf Jahre. Dies hat verheerende Folgen für Arten, die in dieser Zeit noch keine Samen ausbilden können. Proteaceen beispielsweise blühen erst nach durchschnittlich acht Jahren das erste Mal und sind daher in einigen Gegenden bereits verschwunden (SAUNDERS, pers. Komm.).

Eine weitere Gefährdung geht von importierten fremdländischen Arten aus, die von Siedlern angepflanzt wurden. Hier sind beispielsweise australische Akazien (Acacia cyanophylla und A. cyclops) zu nennen, die sich sehr stark verbreiten und die heimische Flora verdrängen.

Auch scheinen die südafrikanischen Sommer in den letzten Jahren heißer und trockener geworden zu sein, die ersten herbstlichen Regenfälle nach den Bränden lassen oft immer länger auf sich warten, was negative Auswirkungen auf das Keimverhalten vieler Arten zu haben scheint. (SAUNDERS, pers. Komm.)

Südafrika ist Heimat von vier Gattungen fleischfressender Pflanzen, nämlich Aldrovanda, Drosera, Genlisea und Utricularia, darunter sind auch sehr viele endemische Arten wie beispielsweise die berühmte und in Natur sehr seltene Drosera regia.

Roridula dentata

Roridula ist eine endemische Gattung der Capensis. Sie wurde früher aufgrund oberflächlicher morphologischer Ähnlichkeiten zur  Familie Droseraceae gezählt, ist aber mittlerweile in ihre eigene Familie, den Roridulaceae eingegliedert.  

Der Name leitete sich vom lateinischen roridus = betaut ab, in Anspielung auf die zahlreichen Klebetropfen, die Roridula im passenden Licht ein Aussehen verleihen, als ob sie mit Tau benetzt wäre. In Südafrika wird Roridula von den Buren „vliebos“ genannt, im deutschsprachigen Raum hat sich Taupflanze durchgesetzt, gelegentlich liest man auch Wanzenstrauch.

Man vermutet, dass die Gattung einst viel mehr Arten enthalten haben könnte, allerdings sind nach aktuellem Wissenstand davon nur noch zwei übrig, Roridula dentata LINNÈ 1764 und Roridula gorgonias PLANCHON 1864.

Bei beiden Arten handelt es sich um mehrjährige, verzweigte Sträucher mit büschelig angeordneten gelblich-grünen, unter  intensivem Licht rötlichen Blättern., die mit zahlreichen, unterschiedlich langen, gestielten, Klebetropfen abscheidenden Tentakeln besetzt sind.

Roridula gorgonias kam in den Bezirken Somerset West, Stellenbosch, Caledon und Swellendam vor (OBERMEYER, 1970), allerdings sind einige Bestände mittlerweile vernichtet (CAROW, 1996). Aktuell findet man Populationen nahe der Stadt Hermanus, ca. 100km östlich von Kapstadt, in der Nähe der etwas kühleren und feuchteren Küstenregion in Höhenlagen um 100-900 Meter. Die Pflanzen wachsen dort gruppenweise in vollsonniger Lage auf ganzjährig feuchtem, nährstoffarmen und torfigem Moor- und Heideboden sowie entlang von Flussläufen. An karnivoren Begleitarten findet man dort u.a. Drosera slackii, D. glabripes und D. cistiflora.

 

Stößt man weiter nördlich ins Inland vor, so wird das Klima zunehmend arider und man trifft in Höhenlagen von 900-1200m in den Sederbergen bei Tulbagh’ Ceres und Clanwilliam ca. 200km nördlich von Kapstadt auf Roridula dentata. Das Verbreitungsgebiet dieser Art erstreckt sich zwar über rund 150 km, allerdings treten die Pflanzen nur sehr vereinzelt an etwas feuchteren Plätzen auf. Außerdem wechseln die Standorte aufgrund der regelmäßigen Buschbrände häufig. Das dort vorherrschende Substrat ist nährstoffarm und sehr sandig. Obwohl der Boden im Sommer stark austrocknen kann finden sich in der Tiefe grundwasserführende Schichten.

Zusammen mit Roridula dentata wachsen u.a. die Karnivoren Drosera alba und D. cistiflora.

 

Gefangene Beute auf Roridula gorgonias

Ausgewachsene Roridula gorgonias erreichen am Naturstandort rund 120cm Höhe, bevor sie entweder durch Feuer vernichtet oder von konkurrenzstärkeren Arten verdrängt werden. Die Pflanze verzweigt sich meist nur nach der Blüte im Frühjahr, bisweilen aber auch noch im Spätsommer. Roridula dentata hingegen erreicht Höhen bis zu 150cm und ist wesentlich stärker verzweigt, was ihr eine buschiges Aussehen verleiht. Möglicherweise stellt dies eine Anpassung an Herbivoren dar, es kann aber auch nur der Verbesserung der Fangquote dienen. Zumindest bei mir in Kultur ist Roridula dentata die effektivere Fängerin, sicherlich auch begünstigt durch ihre gefiederten Blätter. Dadurch kommt das Insekt mit mehr Tentakeln in Berührung, die es festhalten können. Die Blätter von Roridula gorgonias hingegen sind linear lanzettförmig und unverzweigt.

Die gefiederten Blätter von Roridula dentata könnten weiterhin der Wasserversorgung dienen, da diese aufgrund ihrer vergrößerten Oberfläche mehr Tau aufsammeln können. Roridula gorgonias in ihrem humiden Habitat ist auf diese zusätzliche Wasserversorgung nicht angewiesen.

Gefiederte Blätter von Roridula dentata

Die Blätter beider Arten sind mit zahlreichen Tentakel unterschiedlicher Länge besetzt, die sich zum Ende hin leicht verjüngen und in einem Klebetropfen münden.

Dieser balsamartige und stark kautschukhaltige Klebstoff ist selbst an eingetrockneten Blättern noch über viele Jahrzehnte lang effektiv. Ein von Marloth im Jahr 1902 gesammelter und in einer Papierkapsel aufbewahrter Klebetropfen war selbst 1969 noch viskos.

Im Gegensatz dazu vertrocknet der auf Zuckerlösungen basierende Klebstoff an allen anderen bekannten Karnivorengattungen mit dem Absterben der Fangblätter.

Obwohl weder Blätter noch gestielte Tentakel zu einer Bewegung fähig sind und die Klebetropfen klein erscheinen, ist Roridula die mit Abstand effektivste Klebefalle des Pflanzenreichs.

Die Beute besteht überwiegend aus geflügelten Insekten und wird in großer Zahl festgehalten. Selbst große Fliegen, gelegentlich sogar Wespen haben keine Chance mehr zu entkommen, wenn sie denn erst einmal festsitzen. Der Klebstoff ist äußerst zäh und obwohl die Tentakel unbeweglich sind, sorgt ihre Anordnung dafür, dass das Opfer mit sehr vielen Drüsen gleichzeitig in Berührung kommt.

Tentakel von Roridula gorgonias

Starke Insekten können sich gelegentlich befreien, nur um dann zappelnd auf ein weiter unten liegendes Blatt zu fallen. Der wasserunlösliche Kleber lässt sich offensichtlich nur mühsam abputzen, so dass Insekten gelegentlich zwar von der Pflanze loskommen, dann aber bisweilen am Boden an Sandkörnern oder anderen Pflanzenteilen festkleben und dort verenden.

Überhaupt scheint die Beute oftmals an Erschöpfung oder Hunger zu sterben, da der Klebstoff nur spärlich gebildet wird und nicht viskos genug erscheint, um das Insekt, wie beispielsweise bei Drosophyllum vollständig zu benetzen, die Tracheen zu verstopfen und somit das Insekt zu ersticken. Weiterhin wurde festgestellt, dass die Drüsen keinerlei proteolytische (eiweißspaltende) Enzyme absondern und somit der reichliche Insektenfang dem flüchtigen Betrachter als sinnloser Massenmord erscheinen mag.

Aus diesem Grund wurde Roridula auch der Status einer Karnivorengattung aberkannt, da die Fähigkeit, die Beute auch verdauen zu können, ein essentielles Kriterium für die Einstufung als Karnivore darstellt.

Bis zu einem gewissen Grad kann Roridula möglicherweise davon profitieren, dass abgestorbene Blätter zusammen mit den Insekten zu Boden fallen und die Nährstoffe dann über den Umweg  symbiotischer Pilze (ericoide Mykorrhiza) den Weg an die Pflanzenwurzeln finden (FLEISCHMANN, pers. Komm.). Da die Blätter aber selbst in abgestorbenem Zustand noch klebrig sind, lösen sie sich meist nur bei starkem Wind von der Pflanze und landen in diesem Fall dann meist auch nicht im Bereich des Wurzelraums sondern werden fortgeweht.

Roridula hat allerdings einen wesentlich eleganteren und weitaus effektiveren Weg gefunden, von den Inhaltsstoffen der gefangenen Insekten zu profitieren. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden auf beiden Arten je eine ca. 5-7mm große Wanzenart der Gattung Pameridea aus der Familie der Miridae (Blindwanzen) entdeckt. Ähnlich den australischen Blindwanzen der Gattungen Cyrtopeltis auf Drosera und Sectocornis auf Byblis  gehören diese Arten zum Stamm der Dicyphini (Karnivore Wanzen auf Pflanzen mit Klebedrüsen). (HARTMEYER, 1996)

Wanzenkot auf den Blättern

Jede der beiden Wanzenarten kommt in der Natur ausschließlich auf ihrer eigenen Roridula Art vor, Pameridea marlothii auf Roridula dentata und Pameridea roridulae auf Roridula gorgonias. Diese Wanzen ernähren sich von den gefangenen Insekten, betäuben diese und saugen sie aus. Ihre nährstoffreichen Ausscheidungen gelangen dann auf die Blätter der Roridula und können dort von den Pflanzen aufgrund der sehr dünnen Kutikula über die Zellwände aufgenommen werden. Eng anliegende Haare auf den Blattoberseiten erleichtern außerdem die Verteilung der Exkremente und damit die bessere Diffusion ins Blatt, auch werden die flüssigen Ausscheidungstropfen so besser festgehalten. Versuche mit radioaktiv markiertem N15 zeigten, dass die Versuchspflanzen bis zu 70% ihres Stickstoffbedarfs über die Ausscheidungen der Wanzen aufnehmen. Das ist um einiges mehr als bei vielen „echten“ Karnivorengattungen, wie z.B. Drosera (ca. 50%) oder Cephalotus (26%) (ANDERSON & MIDGLEY, 2002)

Die Wanzen können sich erstaunlich gut und schnell auf den für so viele andere Insekten tödlichen Blättern bewegen. Die Gründe dafür sind noch immer nicht erforscht, es scheint sich aber um eine Kombination verschiedener Verhaltensweisen und Anpassungen zu halten.

Pameridea Wanzen haben ausgesprochen lange Beine und bewegen sich im Normalfall durchaus bedächtig und vorsichtig durch den Tentakelwald, so dass sie meist erst gar nicht mit den Klebetropfen in Berührung kommen. Interessanterweise gibt es in der Mitte der Blattoberseite bei beiden Roridula Arten eine kleine Rinne, die frei von den ansonsten sehr zahlreichen kurzstieligen Drüsen ist. Daher ist die bevorzugte Laufstrecke der Pameridea Wanzen auch auf der oberen Seite der Blätter.

Kommen die Wanzen dennoch mit Klebetropfen in Berührung, so bleiben sie ruhig und befreien sich mit Bedacht, ohne an weitere Tentakel zu stoßen. Schlussendlich sind die Wanzen noch mit zahlreichen feinen Härchen bedeckt, die beim Kontakt mit dem Kleber sehr leicht abbrechen und so eine Art Anti-Haft-Beschichtung darstellen. Von mir mit dem Rücken auf Roridula festgeklebte Wanzen hatten sich in kürzester Zeit wieder befreit. Diese Theorie wird auch dadurch gestützt, dass sich unter den Beutetieren von Roridula nur sehr selten Insekten mit leicht ablösbaren Hautschuppen befinden. Im Gegensatz zu großen Sonnentauarten oder Drosophyllum fängt Roridula so gut wie nie Schmetterlinge oder Motten.

Staubbeutel einer Roridula dentata Blüte

Es wurde beobachtet, dass die Larven von Pameridea die Klebetropfen allerdings zur Unterstützung bei der Häutung verwenden, indem sie die Unterseite der alten Chitinhülle gezielt an einem Tentakel festkleben und dann aus der Hülle schlüpfen. Frisch gehäutete Wanzen können sich übrigens nicht befreien, falls sie festkleben sollten. (HARTIG, pers. Komm.).

Interessant ist schlussendlich noch die Tatsache, dass die Pameridea Wanzen nicht schwimmfähig sind und im Wasser ziemlich schnell untergehen, was bei Insekten nicht üblich ist. Möglicherweise deutet dies darauf hin, dass eine Art Detergenz („Lösungsmittel“) ausgeschieden wird, welches ein leichteres Lösen des Klebstoffs von Roridula bewirken soll, aber nebenbei auch die Oberflächenspannung des Wasser herabsetzt. Eine andere Theorie besagt, dass die Wanzen Speichel benützen, um anhaftende Klebstoffreste aufzulösen, da beim Säubern der Beine stets auch das Rostrum mitgeputzt wird. (FLEISCHMANN, pers. Komm.)

Die Wechselbeziehung zwischen der Taupflanze und ihren Wanzen ist damit noch lange nicht erschöpft. Roridula bildet vor allem im zeitigen Frühjahr zahlreiche Blütentriebe mit je 5-10 Blüten in endständigen Trauben. Diese besitzen je fünf Kelch- und Blütenblätter, eine dreiteilige Narbe und fünf Staubgefäße. Diese Staubgefäße umschließen den Pollen und lassen diesen nur über ein kleines Loch entweichen. Diese Anordnung findet man  in der Regel bei Pflanzen, die von Fluginsekten, die starke Vibrationen (z.B. große Bienen) erzeugen, bestäubt werden. Erstaunlicherweise befinden sich die blass - (R. gorgonias) bis dunkelvioletten (R. dentata) Blüten mitten zwischen den auch für einen potentiellen Bestäuber tödlichen Tentakeln und nicht wie bei sehr vielen Karnivorenarten weit von den Fangorganen der Pflanze entfernt. 

Pameridea roridulae Larven bestäuben die Blüte einer Roridula gorgonias

Am Naturstandort wurden bisher auch nur sehr vereinzelt fliegende Bestäuber angetroffen, die Roridula Blüten aufgesucht haben. Interessanterweise tummeln sich in den Blüten allerdings zahlreiche kleine Pameridea Larven und stechen dort auf der Suche nach Nektar auch in ein „verdicktes Scharnier“ der Staubbeutel. Diese klappen darauf schlagartig um und verstreuen den Pollen auf der Larve, den diese dann in andere Blüten weiterverschleppt und so die Pflanze bestäubt. (OBERMEYER, 1970)

Es erscheint unlogisch, dass Roridula eine Wanzenart, die sowieso bereits auf der Pflanze lebt, mit farbigen Blüten anzulocken versucht. Dennoch haben Versuche am Naturstandort gezeigt, dass Blüten ganz ohne Insekten kaum Samen angesetzt hatten, Pflanzen, die insgesamt mit einem Netz umgeben waren und so alle Insekten außer die Pameridea Wanzen ausschlossen eine nahezu identische Samenproduktion zu den Kontrollpflanzen zeigten. (ANDERSON, 2001)

Da sich aber fast ausschließlich die flügellosen Larven in den Blüten aufhalten, die ihre Pflanze kaum verlassen können mag die seltene Bestäubung durch Bienen dennoch eine wichtige Rolle spielen, um den Genpool der Pflanzen zu durchmischen.

Beide Arten sind in geringem Maße selbstbestäubend, vor allem bei Roridula gorgonias brechen die Staubbeutel nach einiger Zeit auf, wodurch die Freisetzung von Pollen stark erleichtert wird.

Samen von Roridula gorgonias

Samen von Roridula dentata

Eine Samenkapsel von Roridula gorgonias enthält ca. 20-30 ca. 3mm große, kantige Samen. Die Samen von Roridula dentata sind zylindrisch mit 5-6mm Länge und 2-3mm Durchmesser, allerdings werden pro Blüte nur drei Stück gebildet. Die Epidermis von keimfähigen Roridula dentata Samen verschleimt stark nach Benetzung mit Wasser.

Wenig ist über die Verbreitung der Samen bekannt. Bei meinen Kulturpflanzen bleiben sie gewöhnlich an den Blättern haften. Obwohl sie zu groß sind, um vom Wind verweht zu werden, könnten doch Samen, die an abgestorbenen Blättern haften, mit diesen über größere Entfernungen getragen werden. Die von SCHUMACHER (Botanischer Garten St. Gallen, Mitteilungen Februar 1991) beschriebenen fleischigen Mäntel, was verbreitungsbiologisch auf einen Darmwanderer schließen würde, kann ich nicht bestätigen.

Weiterhin ist es eher unwahrscheinlich, dass die an den Blättern anhaftenden Samen von Herbivoren mitgefressen werden und somit über deren Kot weiterverbreitet werden.

Sicher ist hingegen, dass der Samen von Roridula erst keimt, wenn Buschbrände die alte Vegetation vernichtet haben und den Sämlingen eine offene, mit Asche gedüngte Fläche zur Verfügung steht. Ob nun die Hitze oder die im Rauch enthaltenen Chemikalien für das Aufheben der Keimhemmung verantwortlich sind ist noch unklar, Keimexperimente in Kultur deuten aber auf Letzteres.

Am Naturstandort findet man daher stets Pflanzen gleichen Alters an einem Fleck. Oftmals ist der Boden nach den ersten starken, einem Feuer folgenden Regenfällen mit Hunderten dicht zusammen stehenden Roridula Sämlingen bedeckt...

 

Zurück zu den Pameridea.

Die Wanzen profitieren von Roridula nicht nur durch den gedeckten Tisch an wehrlosen Opfern. Bei Gefahr fliehen sie sehr schnell und verstecken sich in den Blattachseln, durch zahlreiche Tentakel vor ihren Feinden abgeschirmt.

Pameridea roridulae

Vernichtet allerdings ein Buschbrand die Wirtspflanzen, so sind auch die darauf lebenden Wanzen dem Untergang geweiht. Die erwachsenen Tiere besitzen zwar Flügel, sind aber ausgesprochen schlechte Flieger und lassen sich im Regelfall vom Wind treiben. Bei Mangel an Beutetieren, z.B. bei Überbevölkerung stechen die Wanzen auch die Roridulapflanze selbst an und saugen Pflanzensäfte. Hält die Hungerperiode längere Zeit an, klettern die Wanzen auf die Blattenden und lassen sich vom Wind forttreiben. (gerade im Sommer warten sie oft nach Einbruch der Dunkleheit an den äußersten Blattspitzen). Die Pameridea Wanzen sind zwar in der Lage, auch an anderen Arten der Fynbos Vegetation zu saugen und so recht lange ohne Roridula zu überleben,  benötigen diese aber, um an proteinhaltige Insektennahrung zu gelangen. Unbedingt angewiesen sind sie auf Roridula, um ihre Eier ablegen zu können, denn diese werden in der Pflanze selbst platziert. Nach der Eiablage sterben die Wanzen.

Obwohl der Flug auf gut Glück für nahezu alle Wanzen den Tod bringt, da die Taupflanzen nur sehr vereinzelt auftreten, erreichen dennoch stets genügend Individuen ihr Ziel, um neue Kolonien zu gründen. Am Naturstandort sind alle Roridula Populationen von Wanzen besiedelt.

Bei Roridula und Pameridea handelt es um eine echte Symbiose, von der beide Partner profitieren. Roridula kann zwar im Notfall auch ohne Wanzen überleben, Pameridea ist allerdings völlig auf die Taupflanzen angewiesen, um ihren Lebenszyklus vollenden zu können.

Roridula bietet den Wanzen reichlich proteinhaltige Nahrung, Schutz vor Fressfeinden und eine Möglichkeit zur Eiablage. Pameridea wiederum düngt mit ihren Ausscheidungen Roridula, übernimmt also die Funktion von Enzymen oder Bakterien bei echten Karnivoren. Weiterhin haben die Larven einen wichtigen Anteil bei der Bestäubung der Blüten, außerdem schützen die Wanzen die Pflanze vor möglichen Schadinsekten.

Die Wanzen saugen allerdings in Hungerzeiten selbst an der Pflanze und können sie so durchaus schädigen, daher ist es für Roridula optimal, wenn sich die Wanzenpopulation auf einem bestimmten Level einstellen würde und Überbevölkerung und Nahrungsmangel somit zu verhindern wären....

 

Roridula ist nicht nur Heimat von Pameridea. Auf der größeren Roridula dentata hat man bis heute noch mindestens drei Spinnenarten gefunden, die das ausgeklügelte Zusammenleben von Pflanze und Bewohner noch verkomplizieren.

Eine dieser Arten, eine Luxspinne der Gattung Peucetia nützt das Gewirr von Fangblättern bei Roridula dentata wie ein eigenes Netz. Sie spinnt Sicherungs- und Lauffäden um die Pflanze, um sich selbst gefahrlos und schnell darauf fortbewegen zu können. Diese Spinne ernährt sich von den gefangenen Beutetieren, verschmäht aber auch Pameridea Wanzen nicht, falls sie diese erwischen kann. Diese Art kommt auch auf anderen Pflanzen vor und besiedelt Roridula Pflanzen, da diese ihr einen besonders reich gedeckten Tisch bieten.

Bei der Krabbenspinne Synaema marlothii handelt es sich hingegen um eine echte Spezialistin, die ausschließlich auf Roridula dentata vorkommt und ihre Beute ohne Netz im Sprung fängt. Die auf Roridula festklebenden Insekten sind sehr leicht zu erwischende Opfer.

Die dritte, noch unbenannten Art, eine Trichterspinne der Familie Miturgidae scheint sich auf die Jagd von Pameridea Wanzen spezialisiert zu haben.

Bei allen Spinnenarten gelangen deren Ausscheidungen selten an die Blätter von Roridula sondern fallen meist zu Boden oder werden im Nest nahe des verholzenden Stammes abgegeben. Sie sind daher mehr Beuteräuber als Symbionten. Es ist aber nicht auszuschließen, dass Roridula davon profitiert, dass die Spinnen die Pameridea Populationen auf einem stabilen und für die Pflanze optimalen Level halten.

Schöne Bilder einiger Spinnen finden sich auf der Homepage von Thomas Carow unter http://www.falle.de. Dort im Menü auf Kommensalen klicken.

 

Weiterhin wurde eine neue Wanzenart der Gattung Reduvidae auf nördlichen Populationen von Roridula dentata beobachtet. Diese Wanzen sind wesentlich größer als die Pameridea und sind vermutlich nicht auf Roridula als Lebensraum angewiesen, sondern eher zufällig Bewohner und Nutznießer von Roridula. (ANDERSON, 2001)

 

Roridula ist mehr als nur eine präkarnivore Pflanze, bei der es die Evolution verpasst hat, Enzyme und somit per Definition „echte Karnivorie“ zu entwickeln. Die Taupflanze hat all dies aufgrund ihrer komplexen Beziehungen zu zahlreichen extrem angepassten oder zufällig anwesenden Bewohnern gar nicht nötig und kann sich auf das konzentrieren, was sie weitaus besser kann als jede andere bekannte Klebfalle im Pflanzenreich: Insekten fangen.

Bei einer Umfrage zu den „Top Ten der Karnivoren“ im Herbst 2001 auf der ICPS-Mailingliste landete die Gattung Roridula mit sage und schreibe 0,4% auf dem vorletzten Rang, noch zwei Plätze hinter Triphyophyllum.

Aufgrund ihrer geringen Popularität und wegen der zunehmenden Gefährdung ihres natürlichen Lebensraums möchte ich möglichst viele Leute ermuntern, es mit dieser „fleischfangenden“ Pflanze zu versuchen. Ich verspreche nicht, dass die Kultur einfach ist, ganz im Gegenteil, sie kann mit sehr viel Frust verbunden sein. Andererseits wird jeder, der einmal dem ungewöhnlichen Charme dieser Gattung und ihrer Bewohner erlegen ist sie in seiner Sammlung nicht mehr missen wollen...

___

KULTUR

Gattung & Art:

Roridula dentata & Roridula gorgonias

Verbreitung:

Südafrika

Temperatur:

Im Sommer warm bis heiß (20-35°C), im Winter kühl (ca. 10°C).

Licht:

Ganzjährig heller und sonniger Standort, nur im Hochsommer evtl. leicht schattig.

Substrat:

Sand- Torfgemische 

Wasser:

ganzjährig mäßig feucht halten, keine längere Staunässe. Luftfeuchtigkeit niedrig bis normal. Der Standort muss unbedingt luftig sein, Roridula ist nicht für Terrarien geeignet.

Vermehrung:

Über Samen und Triebstecklinge.

Düngen:

Im Regelfall nicht nötig.

Schädlinge:

Im Normalfall keine. Evtl. Wurzelläuse.

Krankheiten:

Pilzkrankheiten können große Pflanzen innerhalb kürzester Zeit umbringen.


Vor vielen Jahren, als meine Sammlung fleischfressender Pflanzen aus Dionaea muscipula und Drosera capensis bestand, entdeckte ich im Baumarkt das Buch „Fleischfressende Pflanzen“ von Thomas Carow und Ruedi Fürst. Darin fand ich die Beschreibung einer extrem klebrigen Pflanze, die imstande sein sollte, sogar Wespen festzuhalten .

So eine musste ich unbedingt haben...

 

Betrachtet man die Bedingungen, die Roridula am Naturstandort vorfindet, so sind die Grundsätze für eine erfolgreiche Kultur recht naheliegend. Roridula braucht warme bis heiße Sommer und kühle aber frostfreie Winter. Auch wenn die Niederschläge im Kaplandsommer recht gering ausfallen, besiedelt Roridula doch eher die feuchteren Plätze.

Schattenwerfende höhere Bäume fehlen augrund der Buschbrände in der Fynbos Vegetation, so dass Roridula  im Regelfall vollsonnig steht. Es ist recht windig und die Luftfeuchtigkeit ist zumindest bei Roridula dentata relativ niedrig. Das ist für einen Karnivorenstandort etwas ungewöhnlich.

Während des Sommers möchten beide Roridula Arten am liebsten in voller Sonne stehen, sie sind in ihren Lichtansprüchen Drosophyllum lusitanicum vergleichbar. Es bietet sich ein sehr helles Südfenster oder die Kultur im gut belüfteten Gewächshaus an. Roridula gorgonias sollte man an den heißesten Tagen eher halbschattig stellen, da sie bei sehr hohen Temperaturen im Gewächshaus keinen sonderlich zufriedenen Eindruck macht. Roridula dentata aus dem heißeren Landesinneren scheint damit keinerlei Probleme zu haben.

Pameridea gorgonias

Ich habe sehr schöne und kräftige Pflanzen von Roridula gorgonias auch schon an sonnigen und unüberdachten Stellen im Freiland gesehen, wo die Pflanzen Wind und Wetter ausgesetzt waren. Auch diese Pflanzen sahen sehr gesund aus, obwohl sie regelmäßig abgeregnet wurden. Im Gegensatz zu Drosera oder Drosophyllum können die kautschukhaltigen Klebetropfen von Roridula nicht durch Regen abgewaschen werden.

In diesem Zusammenhang kam die Diskussion auf, ob Roridula die Fäkalien der Wanzen möglicherweise besser aufnehmen könnte, wenn diese beispielsweise durch Regen auf der Pflanze verteilt würden, sozusagen als flüssiger Blattdünger. Ich habe probeweise einige Pflanzen mehrmals abends mit Regenwasser überbraust, konnte aber keine Veränderungen im Wachstum feststellen.

Roridula reagiert angeblich sehr empfindlich auf Mineraldünger (D’Amato 1998), was aufgrund des sehr nährstoffarmen Substrats am Naturstandort zumindest für Düngegaben über das Gießwasser durchaus logisch erscheint. Eine leichte Blattdüngung  mit verdünntem Ephiphytendünger  brachte bei meinen Pflanzen keinerlei sichtbare Unterschiede zu ungedüngten Pflanzen. Eine starke Gelbfärbung der Blätter deutet möglicherweise auf Eisenmangel, hier kann man mit einem Spurenelementdünger über das Gießwasser nachhelfen. Allerdings sollte man mit stark verdünnten Konzentrationen arbeiten.

Pflanzen, die im offenen Gewächshaus oder im Freiland gehalten werden fangen den Sommer über eine Unmenge an Insekten. Dies erstaunt zuerst, da die Taupflanze eigentlich keine (bekannten) Anlockmechanismen besitzt. Möglicherweise locken aber bereits gefangene und verwesende Tierkadaver weitere Insekten an, die dann ebenfalls an Roridula hängen bleiben. Ein Teufelskreis...

Roridula dentata in Blüte

Meine Pflanzen, die bei mir den Sommer in einem meist halboffenen Gewächshaus zusammen mit den Tomaten verbringen, sind nach einigen Wochen oftmals mehr schwarz als grün. Ich konnte sogar beobachten, dass Insekten nicht an der Pflanze selbst, sondern an mit Kleber benetzten, bereits gefangenen Insekten festgehalten wurden, in zweiter Reihe sozusagen.

Diese Fülle an Insektenleibern bereitet oftmals mehr Probleme als Nutzen, denn offensichtlich sind die Fangorgane von Roridula zu effektiv für unsere insektenreichen Gegenden. So wird die Photosyntheserate durch den Schattenwurf der Kadaver beeinträchtigt. Pilze können sich inmitten der Knäuel von Insektenleibern ausbreiten und auch auf die Pflanze übergreifen und nicht zuletzt steigt die Population an Blindwanzen aufgrund des überreichlichen Nahrungsangebots ins uferlose. Sobald dann im Herbst die Nahrung knapper wird beginnen Dutzende Wanzen an der Pflanze zu saugen, was diese doch merklich schädigen kann.

Nicht zuletzt sieht dieser Friedhof an Kadavern, vorsichtig formuliert, nicht gerade ästhetisch aus, insbesondere für Mitbewohner, die den Karnivoren von Grund auf eher weniger abgewinnen können: „Des greisliche Klump kimmt aber ned ins Haus!“

Aber allem Widerstand zum Trotz müssen meine Roridula den Winter dennoch notgedrungen im Haus verbringen, da ich über kein ganzjährig benutzbares Gewächshaus verfüge. Ein auf ca. 10°C geheiztes und vollsonnig stehendes Gewächshaus wäre sicherlich die ideale Überwinterungsmethode.

Die Überwinterung im Haus ist leider alles andere als optimal. Die ersten Jahre stand meine Roridula gorgonias im Wintergarten in einem hellen Südwesteck, bei Temperaturen meist um die 10°C. Eines Winters wurde die bereits recht große und ca. 6 Jahre alte Pflanze dann aus dem Wintergarten verbannt und ich stellte sie in den Keller an ein Ostfenster.

Die Pflanze starb dort innerhalb von zwei Wochen.

Junge Roridula dentata

Mittlerweile überwintere ich meine Roridula zusammen mit Drosophyllum und den Knollendrosera an einem extra verbreiterten Fensterbrett an einem Südfenster und beleuchte die ca. 0,8m² große Stellfläche noch zusätzlich mit starkem Kunstlicht. Die Temperatur beträgt rund 10-15°C. Im Winter 2001/2002 klappte dies ganz hervorragend, dieses Jahr habe ich leider nach und nach alle meine blühfähigen Roridula gorgonias verloren und auch zwei der größeren Roridula dentata. Möglicherweise standen die Pflanzen aus Platzmangel zu dicht zusammen, vielleicht war es aber auch nur Pech.

 

Äußerst wichtig bei der Kultur von Roridula ist ein luftiger Standort. Bereits wenige Stunden in schwülem und heißen Klima können eine große Roridula töten, Jungpflanzen sind weniger anfällig. Keinesfalls kann Roridula über längere Zeit in einem Terrarium oder einem schlecht belüfteten Gewächshaus kultiviert werden.

Das Substrat sollte recht sandig und gut durchlässig sein, Roridula dentata wurde sogar schon auf reinem Quarzsand gefunden, was aber für die Kultur kaum empfehlenswert sein dürfte. Mischungen aus gleichen Teilen Weißtorf und grobem Quarzsand haben sich bei mir für beide Arten gleichermaßen bewährt, obwohl Roridula gorgonias zumindest theoretisch einen höheren Torfanteil als Roridula dentata bevorzugen sollte. Diese Substratmischung bleibt noch locker und luftig, kann aber dennoch ausreichend Wasser speichern, so dass man nicht ständig am Gießen ist. Meine erste Roridula gorgonias stand auch mal in der „Karnivorenerde“ aus dem Baumarkt, weiterhin habe ich verschiedene Experimente mit Beimischungen von Seramis, Blähton und Lavagestein ausprobiert und konnte keine signifikanten Unterschiede feststellen. Das Experiment, den Torfanteil durch Lehm zu ersetzen hatte sehr negative Resultate zur Folge.

In der Literatur wird oftmals erwähnt, dass Roridula nur ein schwach ausgeprägtes Wurzelwerk ausbildet. Im Falle von Roridula gorgonias kann ich dies durchaus bestätigen, meine Roridula dentata bilden allerdings Wurzeln aus, die vor allem bei Jungpflanzen im Verhältnis zur Pflanzenhöhe extrem lang sind. Dies erscheint mir eine logische Anpassung an die ariden Standorte zu sein, wo die Pflanzen auf Wasseraufnahme aus tiefen feuchteren Schichten angewiesen sind und diese erst einmal erreichen müssen.

Aus diesem Grund empfehlen sich vor allem für Roridula dentata große und tiefe Töpfe. Da ich keine Lust und auch keine Möglichkeit habe, meine Pflanzen täglich zu wässern, nehme ich für beide Arten sehr tiefe Töpfe. Dadurch kann man beide Roridula Arten während der heißen Tage im Sommer auch mal kurzfristig in Anstaubewässerung halten. Wenn man die Möglichkeit hat, sollte man Roridula gorgonias reichlicher gießen als Roridula dentata. Bei letztgenannter Art macht es auch nichts aus, wenn die Blattspitzen kurzzeitig schlappen, ja selbst komplett schlaff herabhängende Blattbüschel richten sich nach Wassergaben rasch wieder auf. Beginnen die Blätter allerdings zu verschrumpeln sind sie nicht mehr zu retten.

Während des Winters halte ich beide Arten nur mäßig feucht und verzichte auf im Untersetzer stehendes Wasser.

 

___

VERMEHRUNG

Roridula gorgonias, Blütenstand

Roridula gorgonias blüht bei mir meist gegen Februar, in einigen Fällen blühen die Pflanzen im Sommer ein zweites Mal. Ich bestäube die Blüten an einem sonnigen Tag gegenseitig mit einem leicht angefeuchteten Pinsel, was meist zu recht gutem Samenansatz führt. Bei Roridula dentata empfiehlt es sich, einige reife Staubbeutel zu entfernen und an einem heißen Ort zu trocknen, wobei dann Pollen herausrieseln sollten. Diesen kann man dann zum Bestäuben verwenden.

Es soll möglich sein, beide Arten miteinander zu kreuzen. Die Hybride ähnelt Roridula gorgonias (D’Amato 1998).

Da der  Samen von Roridula am Naturstandort nur nach Buschbränden keimt, muss man auch bei der Aussaat in Kultur einiges beachten. Positiv ist zunächst einmal, dass der Samen viele Jahre lang seine Keimfähigkeit beibehält.

Samen von Roridula gorgonias keimt auch ohne Vorbehandlung, bisweilen sogar an den unmöglichsten Stellen, allerdings kann dann die Keimdauer sehr stark variieren und bei Nachzüglern mehrere Monate betragen. Roridula dentata hat hingegen den Ruf, trotz Vorbehandlung der Samen nur äußerst schlecht zu keimen. Wenn man einige Tricks beherzigt  kann man dennoch mit wenig Aufwand sehr gute Keimraten erzielen.

Ich habe mit folgender Methode gute Ergebnisse erzielt: Man bereite einen Topf mit feuchtem Torf-Sand-Gemisch vor und drücke die Samen auf die Oberfläche, so dass sie guten Kontakt zum Substrat haben, aber nicht vollständig davon bedeckt sind.

Das Ganze stelle man an einen sehr hellen Platz und in leichter Anstaubewässerung, idealer weise bei einer Tageslichtdauer von rund 12 Stunden. Daher bietet sich die Zeit um Februar / März oder notfalls auch September an.  Sehr günstig auf das Keimverhalten wirkt es sich aus, wenn sich warme bis heiße Tage mit kühlen Nächten abwechseln. Nach einigen Tagen verbrenne ich dann eine, ein paar Zentimeter hohe Schicht aus trockenem Gras auf dem Topf und wässere die noch qualmenden Reste kräftig von oben mit ca. 60°C heißem Wasser. Am nächsten Tag ist zumindest der Großteil der verbrannten Reste vorsichtig zu entfernen, da diese sonst leicht zu schimmeln beginnen.

Roridula gorgonias Keimlinge

Mit dieser Methode erreiche ich sowohl bei Roridula gorgonias als auch bei Roridula dentata Keimraten von 50-100%. Es wird sehr häufig beschrieben, dass eine 24stündige Anwendung von Gibberelinsäure GA3 bei der Keimung von Roridula dentata Samen unentbehrlich sei. Dies kann ich nicht bestätigen. Bei einem Experiment hatte ich die Samenportionen auf drei verschiedene Töpfe mit unterschiedlichen Standorten aufgeteilt. Ein Drittel der Samen pro Topf wurde 12 Stunden lang mit GA3 behandelt, ein weiteres Drittel 36 Stunden, das letzte Drittel blieb unbehandelt.

Auf allen Töpfen hatte ich wie oben beschrieben trockene Gräser verbrannt.

Die mit GA3 behandelten Samen keimten zwar schneller, bildeten aber übermäßig lange Stiele, bevor sich die ersten Keimblätter zeigten. Die unbehandelten Samen keimten später und unregelmäßiger, die Keimrate war aber nahezu identisch.

Völlig unterschiedlich waren allerdings die Resultate in den verschiedenen Töpfen. Die Samen im Gewächshaus hatten eine 80%ige Keimrate, Samen unter Kunstlicht in meinem Terrarium für Heliamphora und Hochlandnepenthes keimten erst mit einer Rate von rund 30%, nachdem ich diesen Topf nach einigen Monaten ebenfalls ins Gewächshaus stellte. Den dritten Teil der Samen hatte ich in den sehr warmen aber dunklen Heizungskeller gestellt mit einem Ergebnis von 0%. Die Samen keimten auch nicht mehr, nachdem ich sie später ebenfalls ins Gewächshaus brachte.

Selbstverständlich sind diese Versuche in keinster Weise statistisch abgesichert, da ich insgesamt nur 27 Samen verwende hatte. Alle meine nachfolgenden Aussaaten habe ich ab diesem Zeitpunkt ins Gewächshaus gestellt und nur noch wie oben beschrieben behandelt. Dieses Jahr keimten mit dieser Methode sechs von sechs Samen, wenn auch sehr unregelmäßig.

Mir wurde erzählt (FLEISCHMANN, pers. Komm.), dass das Abfackeln von abgestorbenen Roridula Blättern, die aufgrund des Klebstoffs übrigens exzellent brennen, noch bessere Resultate als das Verbrennen von Gras liefern soll.

Gelegentlich findet man den Ratschlag, den gequollenen Samen von Roridula starkem Frost auszusetzen, um sie zum Keimen zu bringen (FESSLER, 1982). Damit habe ich noch nicht experimentiert, da mir diese Methode ziemlich abwegig erscheint, da Roridula am Naturstandort niemals solchen Temperaturen ausgesetzt ist.

Junge Roridula gorgonias

Die Keimlinge von Roridula haben manchmal erhebliche Mühe, die harte Samenschale zu knacken, allerdings sollte man sich in Geduld üben und nicht mit der Pinzette nachhelfen. Ich habe auf diese Weise bisher mehr zerstört als geholfen. Roridula gorgonias Sämlinge wachsen recht langsam und können einige Monate im Aussaattopf verbleiben, bevor man sie das erste mal pikieren sollte. Roridula dentata Sämlinge hingegen wachsen wesentlich schneller und bilden sofort eine tiefe Pfahlwurzel. Meiner Meinung nach sollte man abwarten, bis die letzten Nachzügler gekeimt haben, um dann sofort die Pflanzen in ausreichend tiefe Töpfe umsetzen zu können.

Roridula scheint nicht wurzelempfindlich zu sein, allerdings kann das Umtopfen größerer Pflanzen in eine mühselige Angelegenheit ausarten. Dreht man nämlich den Topf um, hat man den herabrieselnden Sand auf den Blättern und bekommt diesen nie wieder ab.

Roridula dentata Jungpflanzen wachsen ca. 2-3mal so schnell wie ihre verwandten Schwestern und Sämlinge können während eines Jahres über 30cm Höhe erreichen, während Roridula gorgonias erst zwei Jahren nach der Aussaat so groß ist.

 

Beide Arten lassen sich außerdem über Kopfstecklinge vermehren. Dazu schneidet man einen Trieb einige Zentimeter unter der Spitze ab, auf alle Fälle noch im grünen, nicht verholzten Stängelbereich. 

Kopfstecklinge von Roridula dentata

Die unteren Blättern, sowie alle anhaftenden Insekten oder Wanzen entfernt man. Der Steckling kommt dann ins übliche Substrat und das Ganze stellt man hell, kühl und vor zu intensiver Sonneneinstrahlung geschützt auf. Die besten Ergebnisse erhält man, wenn die Stecklinge nur mäßig feucht gehalten werden. (pers. Komm. Ippenberger) Auf gar keinen Fall darf eine Plastiktüte o.ä. über den Topf gestülpt werden, da dies normalerweise zum sofortigen Absterben des Stecklings führt. Sobald sich nach einigen Wochen neue Blätter bilden ist dies ein Anzeichen dafür, dass der Steckling Wurzeln geschlagen hat. Nach und nach gewöhnt man ihn dann an hellere Bedingungen.

Diese Vermehrungsmethode macht hauptsächlich bei Roridula dentata Sinn, da die stark verzweigten Pflanzen reichlich Material zum Abschneiden bieten. Roridula gorgonias bildet sehr reichlich Samen, so dass man bei dieser Art mit der Aussaat wohl besser ans Ziel kommt.

Es wurde versucht, Roridula invitro zu vermehren, allerdings scheiterte man meist daran, die Pflanzen an unsterile Bedingungen zu gewöhnen. Aufgrund der sehr geringen Nachfrage wäre diese Methode für kommerzielle Züchter wohl auch nicht rentabel.

Roridula sind bis zu einer Höhe von ca. 15 cm nahezu unverwüstlich, wenn man ihnen die richtigen Kulturbedingungen bietet.

Roridula gorgonias

Ab dann beginnt der Fluch aller in Kultur gehaltenen Pflanzen. Gelegentlich und meist ohne einen ersichtlichen Grund beginnen diese von einem Tag auf den anderen knapp unterhalb der Spitze zu faulen und nach nur wenigen Stunden knickt die Spitze ab und der gesamte befallene Trieb beginnt in kürzester Zeit zu verdorren. Ursache ist vermutlich ein Pilz, der anscheinend allen Züchtern nur allzu gut bekannt ist, am Naturstandort allerdings noch nie vorgefunden wurde (GREEN, 1996). Ich habe noch nie davon gehört, dass Jungpflanzen davon betroffen waren, es trifft ausschließlich ältere Pflanzen und meist in den lichtarmen Wintermonaten. Die beste Vorbeugung scheint die Kultur in einem hellen und gut durchlüfteten Gewächshaus zu sein, aber selbst dort sind gelegentlich Pflanzen betroffen. Man kann die befallenen Stellen sofort großzügig zurückschneiden, wodurch die Pflanzen angeblich dem Tod bisweilen ein Schnippchen schlagen können, bei mir hat das aber noch nie langfristig geholfen. Über kurz oder lang starben sie dann doch immer ab.

Ich kenne bisher keine Behandlungsmethode und jemand, der große Roridula kultiviert muss meines Wissens damit leben, dass seine Pflanze von einem Tag auf den anderen absterben kann.

Glücklicherweise greift der Pilz nicht von einer Pflanze auf andere über und obwohl zwei Pflanzen unter völlig identischen Bedingungen nebeneinander stehen stirbt eine ab, während die andere kerngesund bleibt.

Hält man Roridula zu nass, so können die Wurzeln verfaulen, was man daran erkennt, dass die Pflanze oberirdisch zu vertrocknen beginnt. Solche Pflanzen sind nicht mehr zu retten.

Roridula scheint nur sehr selten von Schädlingen befallen zu werden, zumindest von Wurzelläusen haben ich schon mal gehört. Die Pameridea Wanzen reagieren allerdings extrem empfindlich auf Pflanzenschutzmittel. Will man im Raum, indem sich Pameridea Wanzen befinden spritzen, so sind diese mehrere Tage woanders unterzubringen !

Sehr große und alte Pflanzen werden auch in der Natur von Jahr zu Jahr schwächer und sterben schlussendlich ab, auch wenn sie nicht von einem Brand oder Konkurrenzvegetation vernichtet wurden. Daher dürfte ein Alter von rund 15 Jahren und eine Höhe von ca. 2m im Normalfall das Maximum für beide Arten sein.

___

PAMERIDEA IN KULTUR

Im Frühjahr 2001 habe ich mir bei einem befreundeten Züchter einige Pameridea roridulae Wanzen abgeholt (man kann sie leider nur zusammen mit Roridula Pflanzen verschicken und auch dann ist das überleben ungewiss).

Diese vermehren sich bei gutem Nahrungsangebot recht schnell und sind eine Bereicherung für jede Roridula Sammlung. Ohne die Wanzen ist eine Roridula meines Erachtens nicht vollständig.

Während sich die beiden Wanzenarten am Naturstandort strickt auf ihre eigene Roridulaart beschränken, besiedeln die Pameridea roridulae in Kultur beide Arten gleich gerne. Einst war auch die hellere Art, Pameridea marlothii in Kultur verbreitet, diese hat sich aber als die konkurrenzschwächere der beiden Spezies herausgestellt und ist mittlerweile zu meinem großen Bedauern genauso wie die Spinnenarten aus den Sammlungen offenbar gänzlich verschwunden.

Pameridea roridulae Larve auf Roridula gorgonias

Die Wanzen besiedeln Roridula jeglicher Größe, kleine Larven finden sich manchmal sogar an Sämlingen. Eine Pi-Mal-Daumen Regel für eine gesunde Populationsgröße besteht meiner Meinung nach aus ca. 1-2 adulten Tieren pro 10cm Pflanzenhöhe, was natürlich auch stark vom Angebot an verfügbarer Beute abhängt. Neben den ausgewachsenen Pameridea tummeln sich meist noch zahlreiche kleine, viel heller gefärbte Larven unterschiedlicher Größe auf der Pflanze. Die kleinsten sind kaum größer als ein Klebetropfen und können problemlos unter den Tentakeln hindurchlaufen.

Finden die Pameridea ein gefangenes und noch lebendes Beutetier, so nähern sie sich diesem vorsichtig und warten eine zeitlang. Eine besonders mutige, meist adulte Wanze versucht dann dem zappelnden Insekt ein lähmendes und eiweißzersetzendes Gift zu injizieren. Üblicherweise wird dabei versucht, in die Gelenke des Opfers zu stechen. Nach wenigen Minuten erlahmen dessen Bewegungen und eine ganze Horde von Wanzen findet sich ein, die damit beginnen, die gelösten Körpersäfte aufzusaugen. Bisweilen kommt es zu kleineren Kämpfen um den besten Platz am Tisch.

Kleine Larven sind noch nicht in der Lage, die harte Chitinhülle zu durchstechen und saugen daher aus den weichen Bereichen bei den Gelenken.

Sind die Wanzen hingegen ausgehungert, stürmen sie meist ohne Rücksicht auf Verluste in großer Zahl auf das Opfer und beginnen sofort, sich um die besten Plätze zu streiten. In solchen Zeiten werden auch tote (tiefgefrorene) Insekten oder Stückchen von rohem Fleisch akzeptiert, auch vor schwächeren Artgenossen macht man nicht halt. Schlussendlich können sich Pameridea auch eine zeitlang rein vegetarisch von Pflanzensäften ernähren.

Die Wanzen bleiben an einem windstillen Platz in Kultur meist auf der Pflanze und begeben sich nur sehr selten auf größere Wanderschaft. Gelegentlich findet man vereinzelte Exemplare auf anderen Karnivoren, so hatte ich eine Pameridea mal für einige Tage an Drosera regia, allerdings ist sie dann doch wieder verschwunden.

Die Wanzen sind völlig ungefährlich, allerdings können sie in sehr seltenen Fällen auch Menschen anstechen. Dies schmerzt in etwa wie ein Bienenstich (FLEISCHMANN, pers. Komm.). Man sollte sich allerdings nicht übermäßig sorgen, denn ich kenne jemanden, der eine Wanze mal spaßeshalber für eine halbe Stunde auf seinem Arm herumlaufen ließ, ohne dass etwas passiert wäre.

Ich selbst schlafe während des Winters im selben Raum wie die Wanzen und kann ihnen zusehen, während ich diesen Text hier verfasse.

Roridula mit ihren Wanzen ist eines der Highlights meiner Sammlung und ob es sich nun um eine echte Karnivore handelt oder nicht, ändert nichts an der Faszination, die diese Pflanzen auf mich ausüben, seit ich das erste mal von ihrer Existenz erfahren habe...

___

VIDEOS

Hier zwei kurze Videos über Roridula und Pameridea Wanzen bei mir in Kultur. Die Videos sind aus Platzgründen komprimiert und liegen im wmv Format vor. Zum Abspielen benötigt man daher den Windows Media Player oder einen anderen, der mit diesen Dateien umgehen kann.
Die Videos wurden mit einer digitalen Photoapparat (Sony F717) aufgenommen und auf eine sehr kleine Dateigröße komprimiert, dementsprechend ist die Bildqualität.

Roridula Video 1 (877kByte)
Roridula Video 2 (1360kByte)

___

QUELLEN

Carow (1996) Todesfallen oder Lebensspender? Die neue Sicht der fleischfressenden Pflanzen (hervorragendes Video über Insekten, die auf Karnivoren leben)

Hartmeyer (1993) Das Insektivoren (Fleischi) Video

Carow & Fuerst (1990) Fleischfressende Pflanzen

Fessler (1982) Fleischfressende Pflanzen für Haus und Garten

D’Amato (1998) The savage garden

Stehli (1934) Pflanzen auf Insektenfang

Urania Pflanzenreich (?) Blütenpflanzen 1 & Vegetation

Obermeyer (1970) Roridulaceae. Flora of South Africa 13

Eitz (1989) Pflanzenportrait Roridula dentata. Das Taublatt 12

Debbert (1988) Roridula gorgonias. Das Taublatt 10

Dolling & Palmer (1991) Pameridea. Syst. Entomol. 16

Hartmeyer (1996) Insektivoren und Entomologie. Das Taublatt 27

Anderson (2001) Roridula: a carnivore (with a little help from its friends). The carnivorous plant society journal Vol. 24

Wilson (2001) Cultivation of Roridula species. The carnivorous plant society journal Vol. 24

Anderson & Midgley (2002) Mutalists and cheaters on the carnivorous plant Roridula. Oecologica (2002)

Reiner (2003) Die Gattung Roridula und ihre Freunde, Das Taublatt 46 (Text weitgehend identisch mit diesem, aber andere Bilder)

 

http://fernkloof.com/other.mv

http://www.falle.de/scripts/fleischfresser/kommensalen.php?i=1,3

http://florawww.eeb.uconn.edu/acc_num/200200016.html

http://www.unibas.ch/botgarten/085/085.htm

___


Copyright (c) 2001-2004 Martin Reiner - letzte Aktualisierung 28.08.2004